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Bandes sind von diesem Gefühl des Unterwegsseins gezeichnet.

Auch die innere Gliederung des Bandes entspricht seiner Schwellentendenz. Celan hat sein Buch in drei Binnenzyklen aufgeteilt: „Sieben Rosen später“, „Mit wechselndem Schlüssel“ und „Inselhin“. Alle drei Titel konnotieren die Semantik der zeitlichen oder räumlichen Bewegung und somit die Schwellenproblematik. Der Titel des ersten Zyklus ist dem Gedicht „Kristall“ entnommen, das aus dem vorherigen Band „Mohn und Gedächtnis“ stammt und sorgt wieder dafür, dass die assoziative und motivische Beziehung zwischen beiden Bänden aufrecht erhalten bleibt. Der zweite und derdritte Zyklus verdanken ihre Namen den jeweiligen Gedichten des neuen Bandes. Abgesehen von der „Grabschrift für Frangois“ haben die Gedichte keine genaue Datierung und unterliegen keinem chronologischen Prinzip, so dass ihre zeitliche Nachbarschaft nur gelegentlich ist. Das wird sich ab dem nächsten Band „Sprachgitter“ ändern, denn die Goll-Affäre sollte Celan zur überaus genauen und strengen Dokumentierung jedes seiner poetischen Texte zwingen.

Im ersten Binnenzyklus „Sieben Rosen später“ überwiegt noch die Liebesproblematik, was bereits mit dem Stichwort „Rosen“ als traditionellem Liebessymbol vorgegeben ist. Auch hier ist die Liebe vom Gedächtnis an die jüdischen Toten nicht zu trennen, was für Celan schon in „Mohn und Gedächtnis“ charakteristisch war. In beiden weiteren Zyklen des Bandes taucht diese Verquikkung von Grundmotiven seiner Dichtung wieder auf. Die Liebe ist durch den Tod (auch des eigenen Kindes) überschattet. In diesem Sinne ist „Grabschrift für Francois“, die den zweiten Zyklus „Mir wechselndem Schlüssel“ eröffnet, „Kristallisationspunkt“ des ganzen Bandes, wie es Celan in einem Gespräch mit Otto Pöggeler formuliert hat[8]. Durch dieses trübe Prisma erscheint die Liebe nicht mehr als pure Glücksempfindung, sondern als ein ambivalentes Gefühl, das zugleich Freude und Trauer in sich einschließt. „Innerhalb des gesamten Bandes wird die Gefahr der Verdrängung der Erinnerung an die Toten durch die neue Liebe dadurch gebannt, dass die Gedichte diese Liebe problematisieren und letztlich in den existenziell bestimmenden Diskurs des Totengedenkens eingliedern, wobei der Tod des gemeinsamen Kindes den Angelpunkt dieser Integrationsfigur bildet“[9], — meint Markus May. Es ist daher kaum möglich, das Liebesmotiv von anderen Motiven und Bildkomplexen abzusondern, die das wachsame Gedächtnis des Autors ihm immer wieder liefert, während es auch seine ermordeten Eltern (z. B. in „Mit Äxten spielend“ oder „Vor einer Kerze“) sowie unzählige anonyme Opfern des Holocausts in diesen Kreis hinein nimmt.

Im zweiten und dritten Binnenzyklus nehmen dann religionsphilosophische („Aufs Auge gepfropft“, „Der uns die Stunden zählte“, „Assisi“) und poetologische („Abend der Worte“, „Welchen der Steine du hebst“, „In memoriam Paul Eluards“, „Schibboleth“, „Sprich auch du“, „Mit zeitroten Lippen“, „Argumentum e silentio“, „Die Winzer“) Akzente zu, die vor allem sprachreflexive Fragen intonieren. Viele Gedichte decken dichte intertextuelle Schichten auf, während sie zu philosophischen, kulturhistorischen, literarischen und künstlerischen Anspielungen greifen. Man kann hier Zitate oder Reminiszenzen aus den Werken von Parmenides, Franz von Assisi, Hölderlin, Jean Paul, Gustav Schwab, Nietzsche, Yoice, Yeats, Rilke, Else Lasker-Schüler, Paul Eluard, Martin Bu-ber, Gershom Scholem u. a. finden. Die häufigsten Motive, die immer wieder in den Gedichten des Bandes Vorkommen, sind Auge, Haar, Hand, Mund, Herz, Rose, Baum, Stein, Sand, Wasser, Meer, Wolke, Schnee, Eis, Licht, Schatten, Kerze, Faden, Stunde, Zeit, Nacht, Welt, Name, Wort sowie ihre zahlreichen Derivate. Die meisten dieser Schlüsselbilder, die auch in seinen späteren Gedichtbänden dominieren werden, beziehen sich hauptsächlich auf die Anatomie des Menschen sowie auf ursprüngliche Naturelemente und Naturerscheinungen, viel seltener begegnen wir hier Begriffen und Realien aus abstrakter oder gesellschaftlicher Sphäre.

Auch Celans Vielsprachigkeit hat in Gedichten dieses Bandes ihre Spuren hinterlassen, während er Wörter, Redewendungen oder Sentenzen aus verschiedenen alten und neuen Sprachen verwendet, so z. B. aus dem Hebräischen (Schibboleth), Altgriechischen (Kenotaph), Lateinischen (Argumentum e silentio), Spanischen (No pasaran). Dieser Außenseiter und Fremdling, geboren am Rande des deutschen Sprachraums (was die deutsche Kritik ihm nie verzeihen wollte), demonstriert hier wieder ein erstaunlich feines und tiefes Sprachgefühl und bereichert seine deutsche Muttersprache mit Neuschöpfungen, die wesentlich ihre Grenze erweitern (Baumwort, lidweit, nachtverhangen, sömmernd, gedankenfarben, Flügelnacht, Zwillingsröte, Mittnacht, Doppelsilber, Sonnengrab, Spätmund, Lichtstumpf usw.), oder mit alliterierenden und paradoxen Wortspielen wie „die Zungen der Sehnsucht, / die Zangen“, „und tragen das Grün in dein Immer“, die ihn als einen der hellhörigsten sprachlichen Könner profilieren. Bereits in „Von Schwelle zu Schwelle“ entwickelt der Dichter seine seltene Gabe, durch vielschichtige Wortbedeutungen zu neuen semantischen Dimensionen und noch nicht erschlossenen Bildräumen vorzudringen, worin Jacques Derrida am Beispiel der Schibboleth-Chiffre das Grundprinzip seiner Dichtung durchschaute[10]. „Schibboleth“, ein Wort aus dem Alten Testament, bedeutet auf Hebräisch „Ähre“ oder „Woge“. Es diente für die Leute Jeftahs als Erkennungszeichen in ihrem Kampf gegen die Ephrai-miter, die es nicht richtig aussprechen konnten (Richter, 12, 1–7). Somit symbolisiert dieser Begriff, den schon Martin Buber für die Begründung seines „dialogischen Prinzips“ verwendete, ein poetologisch-sprachkritisches Problem, wie es noch Hugo von Hofmannsthal in seinem „Brief des Lord Chandos“ verstand, und skizziert Möglichkeiten eines Sprechens schlechthin sowie des von Celan angestrebten anderen Sprechens.

Bereits mit dem Gedichtband „Von Schwelle zu Schwelle“ beginnt Celans ästhetische Umorientierung, während er sich von den neoromantisch oder surrealistisch geprägten Bildstrukturen seiner frühen Gedichte allmählich entfernt, um eine neue — viel sachlichere und nüchternere — poetische Sprache zu finden. Das hängt mit der emotionalen und gedanklichen Verarbeitung geschichtlicher Prozesse der neuesten Zeit zusammen, vor allem mit der Erfahrung des Holocaust und der Veränderung seiner Vorstellungen über Wesen und Form der Dichtung „nach Auschwitz“. Die Konfrontation mit dieser schmerzhaften Problematik lässt ihn nicht nur thematische Richtungslinien und den bildlichen Charakter seiner lyrischen Texte neu gestalten, sondern auch seine sprachlichen und stilistischen Mittel stark reduzieren. Auf der Suche nach adäquater Sprache seiner Dichtung verwirft er überlieferte Modelle der rein ästhetischen Aussage zugunsten der poetischen Wirklichkeit, die sich nicht mehr in schönem Bild und harmonischem Klang, sondern im Wahren als Maß des Poetischen verwurzelt weiß. Das war aber ein langwieriger Prozess, der auch in den nächsten Cedichtbänden seine Fortsetzung haben sollte. „In diesen Jahren — schreibt dazu Wolfgang Emmerich — war der Rückzug ins Schweigen zwar eine Erwägung, aber er fand nicht statt. Vielmehr entwarf Paul Celan eine Poetik der Dichtung, die einerseits eine Absage an sein eigenes bisheriges Ideal des schönen Gedichts

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